Schon gewusst? Der Mensch machte den Roggen genetisch „unflexibel“

Wie er trotzdem an den Klimawandel angepasst werden könnte

26.07.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Bei domestiziertem Roggen stehen große Teile des Genoms nicht für die Rekombination bei der Fortpflanzung zur Verfügung. (Bildquelle: © Uni Halle/Steven Dreissig)

Bei domestiziertem Roggen stehen große Teile des Genoms nicht für die Rekombination bei der Fortpflanzung zur Verfügung. (Bildquelle: © Uni Halle/Steven Dreissig)

Große Teile des Genoms von domestiziertem Roggen stehen nicht für die Rekombination bei der Fortpflanzung zur Verfügung. Das mindert die Fähigkeit der Pflanzen, sich an wechselnde Umweltbedingungen anzupassen. Das Projekt „HERBY“ hat anhand von Gerste nach Lösungen für dieses Problem gesucht – und erste Ansatzpunkte identifiziert, um die genetische Durchmischung zu steigern. 

Vor etwa 12.000 Jahren begannen die Menschen im Mittleren Osten, Ackerbau zu betreiben und Nutzpflanzen anzubauen. Roggen wurde jedoch erst deutlich später kultiviert, nachdem er als Unkraut von der Region des fruchtbaren Halbmonds über Kleinasien nach Europa kam. Eine neue Studie zeigt, dass die Domestizierung negative Folgen für die Anpassungsfähigkeit des Roggens an den Klimawandel hat.

Geringere genetische Flexibilität bei domestiziertem Roggen

Forscher:innen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) haben die Rekombination bei 916 wilden und domestizierten Roggenpflanzen aus Asien und Europa untersucht. Durch die Zellteilung (Meiose) und anschließende Neukombination der Gene bei der Fortpflanzung steigern sich die genetische Vielfalt und Anpassungsfähigkeit der Pflanzen. Die untersuchten Exemplare unterschieden sich stark: „Im Kulturroggen ist der Rekombinationsbereich deutlich kleiner als bei unkrautartigen Pflanzen, wie sie heute zum Beispiel noch in der Türkei zu finden sind“, erläutert Dr. Steven Dreissig.

Die Studienautor:innen vermuten, dass bei der Domestizierung des Roggens Pflanzen selektiert wurden, deren gewünschte Eigenschaften einheitlich waren. Dazu zählen große Körner und feste Ähren, die ihre Körner nicht vor der Ernte verlieren. Sind diese Eigenschaften genetisch stabil und vererbbar, sind die entsprechenden Abschnitte des Roggengenoms quasi „eingefroren“ und stehen nicht für die Rekombination und damit die Adaption an die Umwelt zur Verfügung.

Darüber hinaus identifizierten die Forscher:innen einen Abschnitt des Genoms, der die Flexibilität des Erbguts beeinflusst, sowie ein Gen, welches die Rekombination bei Hefe steuert. Liegt der Schlüssel für eine größere Vielfalt des Roggengenoms und eine verbesserte Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel in diesen Genen?

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Steckbrief: BMBF-Projekt „HERBY“


	Versuchspflanzen: Gerste
	Förderprogramm: „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie“, BMBF
	Laufzeit: 2016 - 2021
	Projektkoordination: IPK
	Eintrag in unserer Projektdatenbank: HERBY
	Hier finden Sie ein ausführliches Porträt: Bessere genetische Durchmischung

Steckbrief: BMBF-Projekt „HERBY“

Projekt „HERBY“ für bessere Durchmischung des Gerstengenoms

Nicht nur bei Roggen, auch bei Gerste ist die meiotische Rekombination stark eingeschränkt. Im Projekt „HERBY“ untersuchten Wissenschaftler:innen daher u.a. den Einfluss der Gene RECQ4 und HEI10 auf die Rekombination von Gerste mit dem Ziel, deren genetische Durchmischung zu verbessern.

Aus vorherigen Studien war bekannt, dass diese Gene die Rekombinationsrate der Ackerschmalwand beeinflussen. RECQ4 weist eine negative Korrelation mit der Rekombinationsrate auf, HEI10 eine positive. Durch das Abschalten von RECQ4 konnte die Rekombinationsrate von Gerste deutlich gesteigert werden. Zudem vermuten die Forscher:innen, dass zusätzliche Kopien von HEI10, welches für 90 Prozent der Rekombinationsereignisse in Gerste verantwortlich ist, zu mehr Crossing-over-Ereignissen führen.

Weitere Forschungsansätze führten allerdings zu Störungen der Meiose und somit zur Unfruchtbarkeit. Zusätzlich zeigte der Vergleich zwischen wilder und domestizierter Gerste, dass auch die Umwelt eine wichtige Rolle spielt. So könnte die genetische Diversität möglicherweise gesteigert werden, wenn man die Gerste unter förderlichen Umweltbedingungen kultiviert.

Diese Erkenntnisse könnten auch Ansatzpunkte für die genetische Diversifizierung von Roggen sein – und bieten so die Chance, dass sich Roggenpflanzen in Zukunft besser an den Klimawandel anpassen können. Dafür ist jedoch weitere Forschung notwendig.


Quelle:
Schreiber, M. et al. (2022): Recombination Landscape Divergence Between Populations is Marked by Larger Low-Recombining Regions in Domesticated Rye. In: Molecular Biology and Evolution, 39(6), (11. Juni 2022), doi: 10.1093/molbev/msac131.

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Titelbild: Bei domestiziertem Roggen stehen große Teile des Genoms nicht für die Rekombination bei der Fortpflanzung zur Verfügung. (Bildquelle: © Uni Halle/Steven Dreissig)