„Mentoring ermöglicht mir den Blick hinter die politischen Kulissen“

Interview mit Florian Berger

06.08.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Doktorand Florian Berger interessiert sich neben seiner Forschung an Mykorrhiza für die „Symbiose“ von Wissenschaft und Politik. (Bildquelle: © Florian Berger)

Der Doktorand Florian Berger interessiert sich neben seiner Forschung an Mykorrhiza für die „Symbiose“ von Wissenschaft und Politik. (Bildquelle: © Florian Berger)

Bereits zum zweiten Mal nutzt der Doktorand Florian Berger das Mentoring-Programm der PLANT 2030 ACADEMY. Für ihn ein Abenteuer und einzigartige Chance zugleich. Während in der ersten Runde der wissenschaftliche Austausch im Fokus stand, bekommt er nun bei einem Bundestagsabgeordneten praktische Einblicke in die politische Arbeit.

In seiner Doktorarbeit an der Technischen Universität München erforscht Florian Berger, wie verschiedene Maissorten auf die Symbiose mit einem Mykorrhizapilz reagieren. Im Interview erläutert er, warum das Verständnis von Pflanze-Pilz-Interaktionen wichtig für die Landwirtschaft ist und warum sich Menschen aus der Pflanzenforschung stärker politisch engagieren sollten.

Pflanzenforschung.de: Studium in Kassel, Praktikum bei der KWS, jetzt Promotion in München. Florian Berger, was hat Sie eigentlich dazu gebracht, ein Pflanzenforscher zu werden?

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Der Doktorand Florian Berger bei der Vermessung einer Maispflanze.

Der Doktorand Florian Berger bei der Vermessung einer Maispflanze.

Bildquelle: © Florian Berger

Florian Berger: Nachdem ich mein Studium in allgemeiner Biologie an der Universität Kassel begonnen hatte, galt mein Interesse sofort der Molekularbiologie. Ich habe mich dabei vor allem für die Entwicklungsbiologie interessiert. Bei meiner ersten Forschungsarbeit ging es um die Regulation der Spermienbildung bei der Fruchtfliege Drosophila melanogaster. Zu diesem Zeitpunkt habe ich Pflanzen noch als langsam und fad empfunden und es gab an der Universität Kassel auch nur eine Arbeitsgruppe, die an Pflanzen geforscht hat.

Eher zufällig kam ich dann zu den Pflanzen: Während meines Studiums bot sich mir die Gelegenheit, am Europäischen Labor für Molekularbiologie (EMBL) zu arbeiten. Die Arbeitsgruppe von Marcus Heisler forscht an Entwicklungsmustern der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana. Auf einmal begannen Pflanzen mich auf ihre ganze eigene Weise zu faszinieren, mein Blick auf sie wandelte sich und sie wurden der Mittelpunkt meiner Wissbegierde. Im Studium folgten dann weitere Forschungsprojekte wie die Untersuchung von Invertase-Inhibitoren in der Zuckerrübe Beta vulgaris. Schließlich habe ich mich für die Symbiose von Mais (Zea mays) mit Mykorrhizapilzen als Promotionsthema entschieden, da mich dieses anwendungsbezogene Forschungsthema besonders reizt.

Pflanzenforschung.de: Welche praktische Bedeutung haben Wurzelsymbiosen zwischen Pflanzen und Pilzen? Ist das auch für Landwirte interessant?

Florian Berger: Ja, sehr. Pflanzen und Pilze der Abteilung Glomeromycotina gehen bereits seit über 400 Millionen Jahren eine Symbiose miteinander ein. Diese nennen wir arbuskuläre Mykorrhiza oder kurz AM. Arbuskuläre Mykorrhizapilze sind in vielen Böden vertreten und auch eine Vielzahl unserer Nutzpflanzen, unter anderem Mais, geht eine Symbiose mit diesen Pilzen ein. Der Pilz versorgt die Pflanze dabei mit Mineralstoffen, insbesondere Phosphat und Stickstoff, und erhält im Gegenzug von der Pflanze Kohlenhydrate und Lipide.

Erst in der jüngeren Vergangenheit wurde dieser Symbiose stärkere Beachtung geschenkt und die Forschung in diesem Bereich vorangetrieben. So konnte gezeigt werden, dass das Wachstum von Nutzpflanzen durch Mykorrhizapilze unterschiedlich stark beeinflusst wird. Die Stärke dieser Effekte, die auch AM-Responsivität genannt wird, unterscheidet sich je nach Genotyp der Pflanze und des Pilzes.

Zusätzlich zum Einfluss auf das Wachstum können Mykorrhizapilze weitere positive Effekte haben. Die verbesserte Nährstoffversorgung und Toleranz der Pflanzen gegenüber biotischen und abiotischen Stressoren können die Erträge steigern. Wenn wir genetische Elemente in Pflanzen identifizieren können, die die Symbiose und ihre positiven Auswirkungen auf die Pflanze verstärken, können das Züchter für ihre Arbeit nutzen. Das Ziel sind dann Nutzpflanzen, die optimal mit den Mykorrhizapilzen kooperieren und dadurch stärker und ertragreicher werden.

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Links: Ausgewaschene Maiswurzel. Rechts: Mikroskopbild einer durch den AM-Pilz Rhizophagus irregularis kolonisierten Maiswurzel. Der Pilz wurde durch Tinte angefärbt

Links: Ausgewaschene Maiswurzel. Rechts: Mikroskopbild einer durch den AM-Pilz Rhizophagus irregularis kolonisierten Maiswurzel. Der Pilz wurde durch Tinte angefärbt

Bildquelle: © Florian Berger

Pflanzenforschung.de: Sie forschen an verschiedenen Maissorten. Wie evaluieren Sie die Effekte der Mykorrhiza auf die Pflanzen?

Florian Berger: Wir untersuchen in Rahmen des BMBF-geförderten Projekts MAZE ein diverses Sortiment von europäischen Mais-Inzuchtlinien auf ihre AM-Responsivität. Dafür führen wir große Gewächshausversuche durch, bei denen wir die verschiedenen Maislinien mit und ohne den Mykorrhizapilz Rhizophagus irregularis wachsen lassen.

Dabei konnten wir feststellen, dass die Maislinien in Abwesenheit des Pilzes ein vergleichbares Wachstum und in Anwesenheit des Pilzes allesamt eine deutliche positive Wachstumsantwort zeigen. Interessanterweise unterscheidet sich die Stärke des positiven Wachstumseffekt durch Mykorrhiza erheblich zwischen den untersuchten Linien, was auf Unterschiede in den genetischen Grundlagen dieser Wachstumsantwort hinweist.

Um diese Wachstumseffekte zu messen, analysieren wir verschiedene Parameter wie Pflanzenhöhe, Stammdurchmesser, grüne Blattfläche, Wachstumsstadium, Effizienz der Photosynthese sowie Frisch- und Trockengewicht. Außerdem nehmen wir Wurzelproben mit Hilfe von Boden-Bohrkernen, um die Kolonisierung der Pflanzenwurzel durch den Mykorrhizapilz zu quantifizieren. Dazu werden die Wurzeln erst ausgewaschen und dann der Pilz angefärbt, damit die verschiedenen Pilzstrukturen unter dem Mikroskop sichtbar werden.

Pflanzenforschung.de: Der Einsatz moderner Gentechnikmethoden wie die Genschere (CRISPR/Cas) bei der Züchtung neuer Kulturpflanzen wird kontrovers diskutiert. Könnten diese Methoden helfen, um Maissorten mit einer verbesserten Mykorrhizierung zu züchten?

Florian Berger: Leider haben wir bis jetzt unseren „heiligen Gral“ noch nicht gefunden. Also diejenigen genetischen Elemente, die die Symbiose optimieren und die Pflanzen stärker wachsen lassen. Sollten wir aber in Zukunft solche Gene identifizieren, so könnte der Einsatz von modernen Gentechnikmethoden die Umsetzung der Forschungsergebnisse in moderne Maishybride sehr beschleunigen. Da momentan sowohl Feldversuche als auch der Anbau oder Vertrieb von Pflanzen, die mit modernen Gentechnikmethoden erzeugt wurden, in Europa praktisch nicht möglich sind, bleibt uns nur auf die längst überfällige Überarbeitung des Gentechnikgesetzes zu warten. Nur so können aktuelle Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung schnell und präzise praktisch umgesetzt werden.

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In seiner Doktorarbeit untersucht Florian Berger diverse europäische Maislinien.

In seiner Doktorarbeit untersucht Florian Berger diverse europäische Maislinien.

Bildquelle: © Florian Berger

Pflanzenforschung.de: Was könnte die Pflanzenforschung bis zum Jahr 2050 auf Ihrem Gebiet erreicht haben?

Florian Berger: Ich bin der Überzeugung, dass uns die Erforschung der arbuskulären Symbiose sehr weit bringen kann. Optimierte Sorten könnten in den kommenden 30 Jahren dazu beitragen, die Landwirtschaft Schritt für Schritt nachhaltiger und effektiver zu machen. Unser Ziel sind ertragsstabile Nutzpflanzen, die toleranter gegenüber pathogenen Pilzen oder Schadinsekten sind und gleichzeitig auch eine höhere Widerstandskraft gegen Auswirkungen des Klimawandels haben, also etwa versalzte Böden, Trockenheit oder Hitzewellen. Die arbuskuläre Mykorrhizasymbiose kann, neben anderen Resistenzmechanismen, dazu beitragen.

Ich bin zuversichtlich, dass wir bis 2050 ein detailliertes Bild über die Grundlagen und Mechanismen dieser Symbiose und ihrer positiven Effekte gewonnen haben werden – und dann auch die Gene kennen, die dafür verantwortlich sind. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass wir dann unsere Felder mit einem ausgewählten und leistungsstarken Mykorrhizapilz beimpfen, um die Symbiose zwischen Pilz und Pflanze weiter zu optimieren. Ich bin überzeigt, dass die Stärkung der arbuskulären Mykorrhiza einen deutlichen Anteil an der kontinuierlichen Verbesserung unserer Nutzpflanzen haben wird.

Pflanzenforschung.de: Sie nehmen bereits zum zweiten Mal am Mentoring-Programm der PLANT 2030 ACADEMY Teil. Was begeistert Sie an diesem Programm?

Florian Berger: Das Mentoring-Programm bietet die einzigartige Chance, sich mit Experten und Persönlichkeiten auszutauschen, die man ansonsten wohl kaum treffen würde. Ich freue mich sehr, dass die PLANT 2030 ACADEMY ein solches Programm anbietet, und habe mich aufgrund meiner durchweg positiven Erfahrungen während meines ersten Mentorings dazu entschieden, dieses Abenteuer erneut einzugehen. Ich finde, dass es insbesondere für Wissenschaftler wichtig ist, ihren Horizont zu erweitern, und andere Meinungen und Perspektiven kennenzulernen. Genau diese Möglichkeiten bietet das Mentoring-Programm.

Pflanzenforschung.de: Sie haben als Mentor den FDP-Bundestagsabgeordneten Dr. Lukas Köhler gewählt. Was erhoffen Sie sich von der Zusammenarbeit?

Florian Berger: Ich habe mich schon seit der Oberstufe sehr für Politik interessiert, jedoch nie den Weg in die Politik gefunden. Ich bin daher froh, Lukas Köhler als meinen Mentor gewonnen zu haben. Über ihn bekomme ich wertvolle Einblicke in die praktische politische Arbeit in Deutschland. Außerdem möchten wir gemeinsam diese Chance nutzen, um Möglichkeiten auszuloten, wie die veralteten Regelungen des Gentechnikgesetzes überarbeitet werden können. Ich hoffe, dass sowohl ich als auch Lukas Köhler stark von dieser Zusammenarbeit profitieren werden.

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Workshops, Summer Schools, Onlinekurse, Mentoring – Florian Berger nutzt aus dem Portfolio der PLANT 2030 ACADEMY die Angebote, die am besten zu ihm passen.

Workshops, Summer Schools, Onlinekurse, Mentoring – Florian Berger nutzt aus dem Portfolio der PLANT 2030 ACADEMY die Angebote, die am besten zu ihm passen.

Bildquelle: © Matthias Arlt/Plant 2030

Pflanzenforschung.de: Wollen Sie in die Politik einsteigen oder nur verstehen, wie Politik funktioniert?

Florian Berger: Einerseits möchte ich einen tieferen Einblick in die politischen Prozesse bekommen: Wie werden bestimmte Themen auf die Agenda gesetzt, gepusht und verhandelt? Inwiefern werden Fachleute bei den Beratungen und bei bestimmten Entscheidungsprozessen einbezogen? Anderseits interessiere ich mich persönlich für Politik und politische Entscheidungsstrukturen. Letztere bekomme ich als Naturwissenschaftler jedoch nur begrenzt mit. Daher ist mir der Blick hinter die Kulissen ein großes Anliegen. Ich möchte diese Chance nutzen, um mich zukünftig bezüglich bestimmter Themen stärker zu engagieren.

Pflanzenforschung.de: Sollten sich Pflanzenforscher politisch mehr engagieren?

Florian Berger: Ja, auf jeden Fall! Insbesondere bei brennenden Themen wie Klimawandel, Naturschutz oder globale Ernährungssicherheit. Die wichtigere Frage ist, wie viel Raum uns Fachleuten eingeräumt wird, um aktiv Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen: Wie gut funktioniert also die „Symbiose“ zwischen Wissenschaft und Politik? Ich sehe hier definitiv noch Verbesserungspotential!

Pflanzenforschung.de: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Ihre Vorhaben!


Zum Weiterlesen:

Projekt MAZE: Verbesserung quantitativer Merkmale durch Erschließung genomischer und funktionaler Diversität aus Mais-Landrassen

Titelbild: Der Doktorand Florian Berger interessiert sich neben seiner Forschung an Mykorrhiza für die „Symbiose“ von Wissenschaft und Politik. (Bildquelle: © Florian Berger)